Klaus Hurrelmann verlangt eine stärkere Solidarität zwischen den Generationen. Der Jugendforscher plädiert für einen Pflichtdienst zum Lebensarbeitsende sowie für flexible Rentenmodelle.
Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie, Klimawandel, exorbitante Staatsverschuldung, hohe Mietpreise und die russische Bedrohung: Junge Leute in Deutschland mussten schon viele Opfer bringen und werden voraussichtlich auch in Zukunft nicht so unbeschwert leben können wie die Generationen vor ihnen.
Die Belastung der jungen Generation wächst, was laut Jugendforscher Klaus Hurrelmann nicht nur in psychischen Problemen, sondern auch in gesellschaftlichen Diskussionen über Verteilungsgerechtigkeit zum Ausdruck kommt. In einem „Spiegel“-Interview warnt er vor einer Ungleichheit zwischen Jung und Alt. Der Soziologe erklärt, dass genau diese Schieflage ausgeglichen werden könne – mit einem Pflichtdienst für Senioren.
Hurrelmann äußert: „Es ist nicht gerecht, von den Jungen zu erwarten, dass sie im Ernstfall allein das Land verteidigen.“ Jeder, der den gesellschaftlichen Zusammenhalt anstrebe, müsse auch alle Generationen in die Pflicht nehmen.
Die Jugend hat schon während der Corona-Pandemie ihren Zusammenhalt demonstriert, beispielsweise durch die langen Schulschließungen oder die verspätete Impfreihenfolge. Heutzutage müssen junge Leute das Rentensystem tragen und enorme Staatsverschuldungen abarbeiten.
Alternativ könne man das Renteneintrittsalter flexibel gestalten, so der Soziologieprofessor: „Wer fit ist, kann durchaus länger arbeiten. Ab dem 63. Lebensjahr – oft schon ab dem 65. – sind die Menschen nur noch Privat- und Urlaubsmenschen.
Was für eine Idee ist das denn? " In der Summe sei es wichtig, dass die Gesellschaft darauf achte, nicht in eine Schieflage zu geraten. "Obwohl es ungewiss ist, ob und wie viel sie später selbst davon profitieren werden, tragen junge Menschen das Rentensystem. „Sie müssen auch die enormen Schuldenberge abtragen, die wir ihnen gerade aufbürden“, sagte der Soziologe.
Hurrelmann äußerte, dass viele junge Menschen derzeit unter den politischen, gesellschaftlichen und persönlichen Krisen litten. „Dort herrscht Ohnmacht, eine Empfindung der Überwältigung.“ Unterschiedliche Untersuchungen ergaben, dass die subjektiv wahrgenommenen Belastungen, Stress und Ängste sowie die Häufigkeit psychischer Störungen stark zugenommen haben.
„Es ist heutzutage sehr anstrengend, jung zu sein“, äußerte der 81-Jährige. „Vor der Corona-Pandemie war die Faustregel, dass etwa zehn Prozent der Jugendlichen eine so hohe psychische Belastung haben, dass sie eine Therapie brauchen.“ Der Anteil ist auf das Doppelte gestiegen.
Der Generationenforscher sieht einen Teil der Verantwortung in der Erziehung: „Viele Eltern haben ihre Kinder zu sehr behütet und wollten sie vor allen Gefahren schützen.“ Zur selben Zeit würden einige Eltern auch mit den gegenwärtigen Geschehnissen überfordert sein.
Hurrelmann spricht sich für eine flexiblere Handhabung des Renteneintrittsalters aus. Wer dazu gesundheitlich in der Lage ist, kann über das gesetzliche Rentenalter hinaus gesellschaftliche Aufgaben übernehmen – beispielsweise im sozialen Bereich oder zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit. „Im Alter von 65 Jahren – oder häufig bereits mit 63 – sind die Menschen plötzlich nur noch Privat- und Urlaubspersonen.“ „Was für ein Konzept ist das denn?“, fragt der Wissenschaftler.
Hurrelmann platzierte seine Forderung nach einem verpflichtenden Dienst für ältere Menschen im Kontext einer umfassenden Kritik an der Generationentrennung.
In einem Statement gegenüber dem „Spiegel“ äußert er, dass der Austausch zwischen älteren und jüngeren Menschen immer weniger stattfinde. Das Durchschnittsalter in Organisationen wie Parteien oder Kirchen betrage etwa 60 Jahre, während der Austausch unter jungen Leuten hauptsächlich digital erfolge. Das wechselseitige Verständnis leide unter dem abnehmenden generationsübergreifenden Austausch.
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