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Freitag, 1. August 2025

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 Wir leben in aufregenden Zeiten.  Es gibt aber auch Perioden, in denen sich viele gern aufregen.  In den vergangenen Wochen wurde dies bei der Rentendiskussion wieder einmal deutlich: Zunächst sorgte das Konzept des Boomer-Soli des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) für einen Schreck bei einer ganzen Generation, dann brachte sich CDU-Wirtschaftsministerin Katherina Reiche mit neuen Anregungen zu einem höheren Renteneintrittsalter zurück ins Gespräch. 


Allen politischen Akteuren ist dabei bewusst: Ein Vorstoß zur Rente sorgt fast immer für Aufregung.  Eine sichere Möglichkeit, in den Nachrichten zu landen.  Nur ist man danach in der Regel leider keinen Schritt weitergekommen.


boomer solidarity pensions


Es ist schon seit Jahren das gleiche Lied: Die einen verlangen, das Rentenalter an die Lebenserwartung anzupassen, die abschlagsfreie Frührente abzuschaffen und das Rentenniveau zu senken, um jüngere Generationen nicht übermäßig zu belasten.


Die anderen empfinden das Rentenniveau bereits jetzt als zu gering, und einen späteren Renteneintritt halten sie für nicht zumutbar. Die FDP versucht zwischendurch, auf ihre Existenz aufmerksam zu machen, indem sie erneut ihre Aktienrente ins Gespräch bringt. Überall große Entrüstung, echte Reformen: Fehlanzeige.


Vielleicht ist es also an der Zeit, einen Rückschritt zu machen. Die Bezeichnung „Sommerpause“ ernst zu nehmen, einen Moment innezuhalten und sich grundlegend zu fragen, was man von der Rente eigentlich will.


Welche Leistungen sind vom Rentensystem zu erwarten? Wie sollte eine angemessene Altersversorgung gestaltet sein? Und wie hoch soll der jeweilige Beitrag der gesetzlichen, betrieblichen und privaten Vorsorge sein? Obwohl die Altersvorsorge in Deutschland theoretisch auf diesen drei Säulen basiert, sind viele Bürgerinnen und Bürger praktisch nur durch die gesetzliche Rente "abgesichert". Ob das überhaupt noch so zu nennen ist.


Mark Twain soll einmal gesagt haben: „Wer nicht weiß, wohin er will, darf sich nicht wundern, wenn er woanders ankommt.“ Heutzutage würde man im Projektmanagement ergänzen, dass das Ziel nicht nur benannt, sondern auch SMART sein muss: spezifisch (S), messbar (M), erreichbar (achievable, A), relevant (R) und terminiert (T).



Daher ist es unzureichend, wenn CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag festlegen, „die Alterssicherung für alle Generationen auf verlässliche Füße zu stellen“. Was ist damit gemeint? Es ist sicher, dass die Rente kommt, aber nicht in welcher Höhe?



Dadurch wird das Umlageverfahren, welches dem deutschen Rentensystem zugrunde liegt, zunehmend belastet. Der größte Einzelposten im kürzlich präsentierten Bundeshaushalt 2026 ist der erneut steigende Bundeszuschuss an die Rentenversicherung, der etwa 127,8 Milliarden Euro beträgt.



Experten zufolge wird diese Belastung in den kommenden Jahren weiter zunehmen, während bereits jetzt offensichtlich ist, dass es Milliardenlöcher im Haushalt geben wird. Marcel Fratzscher, Präsident des DIW, äußerte sich dazu in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur wie folgt: „Unser Sozialstaat wird aktuell von Jahr zu Jahr ein wenig weniger generationengerecht.“


Wer im Koalitionsvertrag weiterliest, findet zum Glück noch einen anderen Satz: „Wir werden in einer Rentenkommission eine neue Kenngröße für ein Gesamtversorgungsniveau über alle drei Rentensäulen prüfen.“ Klingt etwas ungeschliffen, aber es birgt großes reformpolitisches Potenzial.



Es würde also heißen, dass die Rentenkommission nicht nur die ihr bekannten Vorschläge zur Finanzierung des Rentensystems prüft, sondern zunächst einmal festlegt, wie viel Geld man für ein gutes Leben im Alter braucht – und dann erst erwägt, auf welchem Weg dieses Ziel am besten zu erreichen ist.


Dies würde auch eine aufrichtige Bestandsaufnahme mit sich bringen. Wie ist der aktuelle Stand der gesetzlichen, betrieblichen und privaten Vorsorge? Und welchen tatsächlichen Beitrag leistet jede Säule zur Altersversorgung? Ein messbares Ziel ermöglicht es darüber hinaus, die Wirksamkeit politischer Maßnahmen im Hinblick auf eine Annäherung an das Ziel objektiv zu bewerten. Zwar stellt die Bundesregierung bereits heute ein Gesamtversorgungsniveau dar, welches die kombinierte Leistung aus gesetzlicher Rente sowie betrieblicher und privater Zusatzvorsorge umfasst.


Sie gründe sich beispielsweise auf Modellrechnungen, die ausschließlich für den sogenannten Standardrentner gelten – also für Personen, die 45 Jahre lang immer mit dem Durchschnittsverdienst gearbeitet haben. Das spiegle jedoch nur unzureichend die Lebensrealität vieler Rentner wider.


Darüber hinaus kämen bei der Ermittlung der privaten Vorsorge unrealistische Prämissen zum Tragen: So werde beispielsweise unterstellt, dass jeder regelmäßig auf diese Weise spare, obwohl dies für viele tatsächlich nicht möglich sei. Die derzeitige Kenngröße sei demnach lediglich ein Rechenergebnis und keine sozialpolitische Zielvorgabe.


Natürlich wird die Frage, wie hoch eine faire Rente nach langjähriger beruflicher Tätigkeit und Familienarbeit ist, Streitigkeiten auslösen. Ebenso die Frage, welcher Anteil in Euro aus der gesetzlichen Rentenkasse kommen sollte und welcher zum Beispiel aus einer staatlich geförderten privaten Vorsorge mit Aktien.



Es wäre jedoch sinnvoll, dass die Rentenkommission zu Beginn ihrer Arbeit einen Streit um die Antwort entfacht. Daraufhin könnten alle geplanten Maßnahmen der Bundesregierung daraufhin überprüft werden, ob sie zur Erreichung des Ziels beitragen – oder ob es sich womöglich nur um kostspielige Wahlgeschenke ohne nachhaltigen Nutzen handelt.

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